Fast in jedem Jahr unternimmt unsere Arbeitsgemeinschaft im Spätherbst eine mehrtägige Städtereise, in diesem Jahr waren wir 4 Tage in Berlin.

Von Anfang an stand die Reise unter einem guten Stern. Das Bus-Unternehmen Frölich-Reisen war – wie immer – der bekannt zuverlässige Partner, unser Fahrer Jens Seyfarth war absolut kompetent, umsichtig und stets hilfsbereit. Das Wetter war zwar leicht unbeständig, aber es war überwiegend trocken und auch nicht zu kalt. Fast nicht zu glauben, wir fanden immer sofort einen Parkplatz. Als besonderen Hit hatte uns die Firma Frölich für die drei Übernachtungen das Hotel Inter-Conti zu einmaligen Sonderkonditionen besorgt – alles Voraussetzungen für eine rundum gelungene, erfolgreiche Reise für die 34 Teilnehmer.

Hinzu kam dann natürlich das gut geplante interessante Besuchsprogramm.

1.Tag, Donnerstag, 31. Oktober: Berlin und die aktuelle Politik

Nachdem wir bei herrlichem Wetter am frühen Mittag Berlin erreicht hatten, blieb uns noch einige Zeit für erste Erkundungen im Regierungsviertel bevor es dann zur Besichtigung des Reichstags mit seiner gläsernen Kuppel ging. Seit über 10 Jahren ist der Reichstag – eine der Hauptattraktionen Berlins – Sitz des Deutschen Bundestages. Auf der Besuchertribüne des Plenarsaals erfuhren wir in einem ca. einstündigen Vortrag viele Details über das Haus, in dem nicht nur der Bundestag tagt, sondern auch die Bundesversammlung anlässlich der Wahl des Bundespräsidenten abgehalten wird. Der Bundestagspräsident, Norbert Lammert, sieht von seinem Platz im Plenarsaal auf das Plenum, dem im Augenblick noch 631Abgeordnete  angehören. Rechts von ihm ist die Regierungsbank, links von ihm sitzen die Mitglieder des Bundesrats. Vor ihm im Halbkreis sitzen rechts die Abgeordneten der CDU/CSU, in der Mitte die Fraktion Bündnis90/Die Grüne, in der linken Hälfte sitzt die SPD- Fraktion und ganz links außen die Abgeordneten der Partei Die Linke. Die FDP ist z.Zt. ja nicht mehr im Bundestag vertreten.

Vieles erfuhren wir über den Ablauf der Sitzungen, die Verteilung der Redezeiten, über Abstimmungen und das Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten.

Nach Beendigung des Vortrags fuhren wir mit einem Aufzug zuerst zu einer Dachterrasse um von hier über eine 230 Meter lange Rampe zu der 200qm großen Aussichtsplattform im oberen Teil der Kuppel zu gelangen. Diese ist ca. 40 Meter hoch und ihr Durchmesser beträgt 38 Meter. Die Aussicht auf das moderne Berlin war bei strahlendem Sonnenschein für uns von hier oben einfach einzigartig.

Nur wenige Schritte vom Reichstag entfernt liegt an der Willi Brandt-Str.1 das gleichermaßen spektakuläre wie umstrittene monumentale Gebäudeensemble des neuen Bundeskanzleramtes. Dieses wurde unter Bundeskanzler Helmut Kohl entworfen und nach dem 1. Spatenstich im Februar 1997 nach vierjähriger Bauzeit im Mai 2001 erstmals vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder bezogen.

Das 36 Meter hohe Gebäude ist das größte Regierungshauptquartier der Welt. Es ist rund achtmal so groß wie das Weiße Haus in Washington und verfügt über 8  Ebenen.

Bei unserer zweistündigen Besichtigung bekamen wir natürlich längst nicht alles zu sehen. So bleibt die 7. und 8. Etage für Besucher grundsätzlich tabu. Hier befinden sich u.a. das Kanzlerappartement mit Wohnraum, integrierter Küche und Schlafzimmer sowie das Arbeitszimmer der Bundeskanzlerin und die Büros des Kanzleramtchefs und des Kulturstaatsministers.

Wir kamen zuerst in den 6. Stock, wo sich der kleine und große Kabinettssaal befinden. In der 5. Etage waren wir im großen Bankettsaal, der für Empfänge und Festessen vorgesehen ist, und in der 1. Etage haben wir den internationalen Konferenzraum mit seinen Dolmetscherkabinen besichtigt. Auf dieser Ebene befindet sich auch ein Inforaum mit Bühne und Sitzplätze für 200 Journalisten sowie die so genannte „Kanzlergalerie“ mit Gemälden aller bisheriger Kanzler. Die Idee zu dieser Porträtreihe hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt im Jahre 1976. Außer diesen Gemälden beherbergt das Kanzleramt weitere bedeutende Kunstwerke. Stellvertretend für viele andere sei hier die dreiteilige Arbeit „Augenbilder“ von Wilhelm Nay im Pressesaal genannt, die auf der Kasseler Documenta III in 1964 für viel Aufsehen sorgte. Zum Schluss unseres Besuchs kamen wir noch in das Erdgeschoss des Kanzleramts, das ein Riesen-Foyer und eine große Treppenanlage für Fototermine umfasst, vor der die Bronzestatue des Künstlers Markus Lüpertz

„Die Philosophin“ steht, die als Inbegriff eines nachdenklichen Menschen zu verstehen ist. Vom Foyer aus hat man auch einen schönen Blick nach außen auf den Ehrenhof des Gebäudes mit dem künstlerischen Hauptwerk, eine 5,5 Meter hohe und 87,5 Tonnen schwere Eisenarbeit, die Skulptur des baskischen Bildhauers Eduardo Chillida mit dem Titel „Berlin“.

 Mit diesem Besuch ging ein langer, interessanter Tag zu Ende. Es war längst dunkel als wir endlich in unserem Superhotel in der Budapester Str. in der Nähe des Kurfürstendamms und der Gedächtniskirche einchecken konnten.

2. Tag, Freitag 01. November: Berlin in der DDR-Diktatur und der NS-Zeit

Der Morgen war dem Besuch der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen vorbehalten, ein Ort, der wie kaum ein anderer mit der 44-jährigen Geschichte politischer Verfolgung in der DDR verknüpft ist. Nach Kriegsende wurde in der Genslerstraße 66 zuerst ein sowjetisches Speziallager eingerichtet, das in 1951 von der DDR übernommen und bis 1989 als Untersuchungshaftanstalt genutzt wurde. In den fünfziger Jahren litten hier Menschen, die sich der kommunistischen Diktatur widersetzt hatten. Die Liste der inhaftierten reichte von Streikführern des Aufstands vom 17. Juni 1953 bis zu Anhängern der Zeugen Jehovas. Aber auch Reformkommunisten saßen in den gruftartigen Zellen ein und selbst SED-Kritiker aus dem Westen wurden vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR (Stasi) entführt und nach Hohenschönhausen gebracht.

Ende der fünfziger Jahre wurde ein Neubau mit über 200 Zellen und Vernehmungs-zimmern errichtet, der nun Teil des riesigen Gefängniskomplexes war, den zu DDR-Zeiten kein normaler Bürger betreten durfte. Festgehalten wurden hier vor allem Menschen, die versucht hatten zu fliehen oder in den Westen auszureisen. Wurde anfänglich den Häftlingen mit physischer Gewalt und Folter zugesetzt, ging man später zu psychologischen Methoden über. Die Gefangenen waren von der Außenwelt hermetisch abgeschnitten, und man ließ sie bewusst über den Ort ihrer Haft im Unklaren. Von ihren Mitgefangenen hielt man sie streng isoliert und verhörte sie durch gut ausgebildete Vernehmer monatelang, bis sie die von ihnen erwarteten, belastenden Aussagen machten. Erst dann konnten sie mit geringfügigen Hafterleichterungen rechnen.

Das alles erfuhren wir bei einer zweistündigen Führung durch die unendlich langen Gänge und die unzähligen, im Original belassenen Zellen, von zwei ehemaligen Häftlingen, Herrn Gilbert Furian und Herrn Dieter Drewitz, die diesen Schilderungen immer wieder Berichte über Folterungen, Schikanen und menschenunwürdige Behandlungen aus eigenem Erleben hinzufügen konnten. Durch diese Zeitzeugen wurde die Führung zu einem emotionalen, für uns alle aufwühlenden und nachhaltigen Ereignis. Beide haben über ihr Leben und das grauenhafte Erleben in der Haftanstalt Hohenschönhausen ein Buch geschrieben, der Titel des Drewitz-Buches: „Kennwort Alpenveilchen“.

 Vielleicht eine persönliche Bemerkung: Jedem der sich eventuell insgeheim die Verhältnisse in der ehemaligen DDR zurück wünscht, sei ein Besuch in dieser Gedenkstätte wärmstens empfohlen. 

Nach einem guten Mittagessen im Restaurant „Umspannwerk Ost“ in der Palisadenstraße in Berlin-Friedrichshain ging es nachmittags nach Kreuzberg in die Niederkirchnerstr. (Nähe Potsdamer Platz) wo direkt neben dem Martin-Gropius-Bau im Jahr 2010 das neue Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ eröffnet wurde. Auf dem Gelände befanden sich von 1933 bis 1945 die wichtigsten Zentralen des nationalsozialistischen Terrors: das Geheime Staatspolizeiamt mit eigenem „Hausgefängnis“, die Reichsführung-SS und auch das Reichssicherheitshauptamt.

Nach Kriegsende wurde das Gelände planiert und erst in 1987 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die inzwischen freigelegten Gebäudereste an der früheren „Prinz-Albrecht-Straße“ (heute Niederkirchnerstr.) und der Wilhelmstraße dokumentieren die Geschichte des Orts. Erst als die Berliner Architektin Ursula Wilms in 2006 einen ausgeschriebenen Wettbewerb zur Gestaltung des Geländes und der Errichtung eines Dokumentationszentrums gewonnen hatte, konnte dieser neue Erinnerungsort entstehen. Er nimmt heute unter den zahlreichen Gedenkstätten, Denkmalen und Museen, mit denen in Berlin an die NS-Zeit erinnert wird, eine besondere Stellung ein. Im Zentrum der Hauptstadt informiert die „Topographie des Terrors“ am authentischen Ort über die Zentralen des SS- und Polizeistaats und macht die europäische Dimension der NS-Schreckensherrschaft sichtbar.

 In einem gut einstündigen Rundgang wurden wir entlang eines „Tafelbandes“, das überwiegend Fotomaterial präsentiert, sowie thematisch zugeordneter Pulte mit Dokumenten durch die Themen der fünf Hauptkapitel geführt, so u.a. „Die nationalsozialistische Machtübernahme, Institutionen des Terrors (SS und Polizei) sowie Verfolgung und Vernichtung im Reichsgebiet und Kriegsende und Nachkriegszeit.

 Danach blieb noch genügend Zeit für einen „Geländerundgang“. Informationspulte mit Fotos und Dokumenten geben einen Überblick über die Geschichte des Areals, auf dem sich alle wichtigen Institutionen des nationalsozialistischen Verfolgungs- und

Terrorapparats befunden haben. Integriert in diesen Rundgang sind auch die unter Denkmalschutz stehenden Reste der Berliner Mauer.

3. Tag: Samstag, 02. 11. 2013, Jüdisches Leben und die Deutsch-Jüdische Geschichte

Der Samstagmorgen war ausgefüllt mit dem Besuch im Jüdischen Museum Berlin, Lindenstr. 9-14 in Kreuzberg.

Für einen allumfassenden Besuch würde man vermutlich mindestens 2 Tage benötigen. Uns verblieben 2 Stunden,  und so mussten wir uns vor Beginn der Führung in zwei Gruppen aufteilen und uns für jeweils ein Thema entscheiden. So lag bei der ersten Gruppe der Schwerpunkt auf dem Thema: „Reaktionen deutscher Juden auf den Nationalsozialismus“ und die zweite Gruppe hatte „Frauen im Judentum“ zum Thema. Zusätzlich hatten wir noch für beide Gruppe das Thema: „Architekturbetrachtungen“ erbeten. Denn wer den Neubau des Museums betritt, muss sich wie selbstverständlich mit der Architektur des Hauses auseinandersetzen, ein „Muss“ für die Besucher aus aller Welt.

Der Architekt Daniel Libeskind  wollte mit der verwinkelten Gestaltung des Gebäudes die Zerstörung jüdischen Lebens in Deutschland physisch erlebbar machen. Der Zickzack-Grundriss stellt einen zerrissenen Davidstern dar. Genial ist die Anordnung der Innenräume. Nirgendwo gibt es eine klare Struktur, leere Betonschächte stehen im Gebäude wie sperrige Barrieren. Sie sollen an die brutale Vernichtung der Juden während der NS-Diktatur erinnern.

 Neben dem Neubau ist einer der seltenen Barockbauten Berlins (einst Kammergericht) Teil des Museums. Den Innenhof überdachte Libeskind mit einem expressiv gestalteten Glasdach, welches eine Laubhütte symbolisiert.

In dem Rundgang zum Thema „Frauen im Judentum“ illustrieren bekannte und unbekannte Biographien die Rolle der Frau im Judentum – von der Schöpfung bis zu den Persönlichkeiten der Gegenwart. Man erfährt viel über die Reformbewegung im 19. Jahrhundert, die für ein neues weibliches Selbstbewusstsein sorgte, von dem z.B. Regina Jonas als erste Rabbinerin profitierte.

Die Führung zum Thema „Reaktionen deutscher Juden auf den Nationalsozialismus“ beginnt mit den antijüdischen Maßnahmen, die bereits in den ersten Monaten nach der Machtergreifung im Jahr 1933 veranlasst wurden und die die gesellschaftliche und wirtschaftliche Existenz deutscher Juden erheblich gefährdeten. Die danach zunehmende Stigmatisierung und Ausgrenzung hatte zunächst die Vertreibung zum Ziel, ab 1941 die tatsächliche physische Vernichtung. In der Führung erfährt man über die begrenzten Möglichkeiten und die verzweifelten Bemühungen, auch in dieser Zeit das „alltägliche“ Leben aufrecht zu erhalten. Dokumente belegen die Versuche der Juden zu überleben, Widerstand zu leisten und dabei ihre Würde zu bewahren.

Es war nahezu eine Selbstverständlichkeit, dass wir nach diesem Museumsbesuch das Mittagessen in dem kleinen, jüdisch/israelischen Spezialitätenrestaurant Feinberg´s in der Fuggerstr. 37, nicht weit vom Ku-Damm, eingenommen haben. Hummus vom Feinsten in mehreren Variationen, Kebab oder auch Falafelplatte – alles war total lecker und ließ erste Vorfreude auf die von uns für den 19.03. bis 01.04. 2014 geplante Israel-Gruppenreise aufkommen.

Nach einem freien Nachmittag hat sich dann unsere Reisegruppe am Abend zum Essen im Restaurant „Kartoffelkiste“ im Europa-Center am Ku-Damm getroffen. Das war das krasse Gegenteil zur israelischen Küche bei Feinberg – hier gab es Berliner- und typisch deutsche Spezialitäten – aber auch die haben alle köstlich geschmeckt, und wir sind in diesem rustikalen Lokal aufmerksam und flott bedient worden.

4. Tag, Sonntag, 03. November 2013: Die jüdische Neue Synagoge, Oranienburger Str.

 Nach einem letzten, wunderbarem Frühstück im Hotel „Inter-Conti“ sollte es nun zum letzten Höhepunkt der Reise gehen, zur Neuen Synagoge in der Oranienburger Str. mit ihrer ständigen Ausstellung in den historischen Räumen des Centrum Judaicum. Dort hatten wir seit dem 09.07.2013 eine Führung bestellt und diese auch entsprechend bestätigt bekommen – nur kam leider keiner, der uns hätte führen können. An dem Morgen waren in der Synagoge nur die Dame an der Kasse und eine Dame an der Garderobe anwesend – und beide konnten einem leid tun. Auch der Computer an der Kasse funktionierte überhaupt nicht, und so hatten wir größte Schwierigkeiten, überhaupt unser Eintrittsgeld zu bezahlen. Ebenso schwierig war es dann allerdings auch, eine Rückerstattung von € 0,50 auf das Eintrittsgeld für die nicht erhalteneFührung zu bekommen. Unsere Reiseteilnehmer haben das mit bewundernswerter Gelassenheit hingenommen und haben sich die Ausstellung in dem heute noch erhaltenen Teil der Synagoge, der nun als Museum genutzt wird, allein angeschaut.

In dieser Ausstellung wird die Geschichte des Hauses und das jüdische Umfeld dokumentiert. Sie will an die Leistungen der jüdischen Bevölkerung erinnern und das Gedenken an die jüdischen Opfer bewahren.

 Die Neue Synagoge zählt zu den schönsten Gebäuden Berlins. Zum jüdischen Neujahrsfest 1866 feierlich eingeweiht, war sie einst die mit 3.200 Sitzplätzen größte Synagoge Deutschlands. Die orientalisierte Gestaltung sowohl des Inneren als auch der Außenfassade entsprachen dem damaligen Zeitgeist. Das Gebäude repräsentierte das Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinschaft. Die Neue Synagoge hatte Orgel und Chor. Allein die Frauenempore umfasste 1000 Plätze. In der Pogromnacht 1938 wurde sie in Brand gesetzt. Der beherzte Einsatz des Polizeireviervorstehers am Hackeschen Markt verhinderte jedoch die Zerstörung. Im November 1943 wurde die Synagoge allerdings durch britische Bomben schwer beschädigt. In 1958 wurde die Ruine des eigentlichen Synagogenraumes abgerissen, nur der ehemalige Eingangsbereich blieb als Denkmal erhalten. Dieser wurde in 1995 als Museum eröffnet. Im 3. Stock des Gebäudes befindet sich ein kleiner Synagogenraum mit 100 Sitzplätzen. Hier sitzen Männer und Frauen zusammen und übernehmen auch gleichberechtigt Aufgaben im Gottesdienst. Seit Februar 2007 ist Gesa S. Ederberg Rabbinerin der Gemeinde.

Manfred Oelsen